Santiago de Cali
Wer mich kennt der weiß, Heimat ist mir wichtig. Ich bin Lokalpatriot durch und durch. Reutlingen ist und bleibt meine erste große Liebe. Doch seit knapp 10 Monaten lebe ich (nun auch schon) in meiner neuen Wahlheimat. In meiner neuen Wahlstadt, wenn man es so nennen mag. Darum geht es auch in dem heutigen Blogeintrag. Ich will euch Cali vorstellen. Ich will euch Cali schmackhaft machen. Denn die Stadt bietet mehr als die Geschichte eines Kartells.
Santiago de Cali liegt südwestlich von Bogota und ist mit rund 2,4 Millionen Einwohnern die 3.größte Stadt Kolumbiens. Wahrzeichen der Stadt ist die Jesusstatue welche mit müden Augen auf die Stadt hinabschaut. Das Format jener Staute ist etwas kleiner als die des großen Bruders in Rio. Ein weiteres Erkennungsmerkmal ist das Klima. Jeder Tag gleicht dem anderen. Morgens gegen 6 geht die Sonne auf und abends um 6 verschwindet jene dann auch schon wieder von der Bildfläche. Mensch vermisse ich die langen Sommernächte!!! Nichts destotrotz will ich mich nicht über das Wetter beschweren. Denn wie die Sonnenstunden ist auch das Klima meist konstant. Jeden Tag zwischen 24°C und 30°C. Mal sonnig, mal regnerisch. Traumhaft oder?
Leider Gottes ist nicht nur das Wetter hitzig,
sondern auch die Gemüter sind nicht ohne. Damit beziehe ich mich nicht
auf das Temperament der unglaublich faszinierenden Caleñas. Sondern
vielmehr auf den leichten Anstieg an Morden. Mit 513 Morden in den
ersten 5. Monaten diesen Jahres (9% mehr als letztes Jahr) mag Cali in
erster Linie abschreckend wirken. Oft spielen sich diese Geschichten
jedoch in bestimmten Barrios ab. Deshalb kann ich dich beruhigen lieber
Leser. In meiner ganzen Zeit hier wurde mir noch nicht einmal auch nur
ein einziges Haar gekrümmt. Abgesehen von dem venezolanischen
Garagenfriseur, welcher mir zweimal eher befriedigend die Haare
geschnitten hat. Wobei ich auch dabei eine gewisse Schuld trage, warum
vertraue ich auch einem Friseur aus der Garage... Aber so ist es hier eben
oft. Man muss sich anpassen, eben auch optisch. Wer mit seiner fetten
Canon, Wanderstiefel und Rucksack durch das Centro läuft der muss eben
damit rechnen das er ausgeraubt werden kann. Ich gehe ja auch nicht mit
Steak an der Kleidung in einen Käfig voller hungriger Löwen. Das ist
logisches Denken.
Kleiner Tipp am Rande, falls du dich jemals nach
Cali verirren solltest, ist das Centro Pflicht. Bei meinen
Mitbewohnerinnen ist es eher verrufen, ich liebe es. Zumindest tagsüber
ist es ein Traum für einen jeden der gerne günstig schoppen geht. Ein
Paradies an Ständen welche Uhren, Markenklamotten und Schuhe für gute
Preise über die Ladentheke laufen lassen. Auch Handys gibt es, wobei ich
mir bei den Elektrowaren nie so ganz sicher bin, ob sie nun vom Laster
gefallen sind oder nicht. Lass dich von dem Chaos des Centros aber nicht
abschrecken, öffne dich und lass es auf dich zu! Das Centro ist neben
dem Boulevard und dem Viertel Granada mein persönliches Highlight in
Cali.
Nicht unbemerkt bleiben soll die extrem starke Präsenz der
Polizei. Vor allem in den touristischeren Vierteln St. Antonio und
Granada. Gefährliche Plätze gibt es überall auf der Welt. Lass dich auch
davon nicht abschrecken. Abenteuer beinhalten immer ein wenig Gefahr.
Doch was macht Cali eigentlich aus? Genau kann ich das ehrlich auch nicht sagen. Glaubt man den Reiseführern, dann ist Cali die Stadt des Salsas. Doch die Stadt ist mehr. Was sich mit Sicherheit sagen lässt ist, dass Cali ein unglaublich lebendiger Ort ist, mit vielen Bars, Discos und fröhlichen Menschen. Neben dem tanzen wird, wie es für Südamerika typisch ist, selbstverständlich Fußball großgeschrieben. Durch die 2 Erstliga Clubs America de Cali und Deportivo Cali werden einem genügend Möglichkeiten geboten seinem Fußballherzen genügend Abwechslung zu bieten. So schlägt mein Herz zum Beispiel für America. Dem Club des einfachen Mannes. Auch ich bin nicht untätig und lasse mein sportliches Bedürfnis im Kickboxen freien Lauf.
Was ich gerne noch anmerken würde. Einige Menschen gehen davon aus das Cali bzw. Kolumbien ein 3.Welt Land sei. Das will ich vehement abstreiten. Natürlich gibt es noch das ein oder andere Defizit. Im speziellen die Ungleichheit ist hier so groß wie fast nirgendwo auf der Welt. Während im Süden der Stadt die Reichen in ihren Palästen wohnen, lebt ein Großteil der Bevölkerung in Armut. Eine Mittelschicht baut sich gerade erst auf. Mich hat diese Erkenntnis geprägt und in meinen Ansichten nur bestärkt. Doch ein 3.Welt Land ist Kolumbien nicht. Mit dem Land geht es bergauf. Und auch in Kolumbien wird sich früher oder später das Volk, die Jugend erheben. Das hoffe ich zumindest. Mir erscheint die Jugend Kolumbiens politisch sehr aktiv. Das lässt zu hoffen übrig.
Habt einen entspannten Start ins Wochenende.
Friede dem Wellblech, Krieg den Palästen.
Euer Felix